Schlicht, ähnlich wie hier, war früher der Adventskranz. (Fotos: presseweller)
Et duart noch wat, bes det Chreskennche kömmt
Von Georg Hainer
25. November 2015.
Siegen. Viele werden sich noch an die Adventszeit in den 1950er- und
bis in die 1960er-Jahre erinnern. Es ist vor allem die Generation,
die in den 1940er- und bis Anfang der 50er geboren wurde. Gerade
Anfang der 1950er war das Leben in Sachen Essen und Anschaffungen
alles andere als üppig, aber ausreichend, um zufrieden zu sein.
Nach dem Krieg hatte man Geduld, und nach Einführung der D-Mark
schien es aufwärts zu gehen. Später später nannte man diese Verbesserung „Wirtschaftswunder“. Obwohl viele Väter noch keine
40-Stunden-Woche hatten und teils auch samstags arbeiten mussten und
die Schulkinder ebenfalls samstags Unterricht hatten, ging es
familiär, gemütlich zu. In der Adventszeit war das noch besonderer
als sonst.
Begann die stillere
und ruhigere Zeit für die katholischen Bekannten bereits mit
Allerheiligen, war das für die evangelischen am Totensonntag so, heute auch
Ewigkeitssonntag genannt. An beiden Tagen war für die einen wie
für die anderen der Friedhofsbesuch obligatorisch. Den Verstorbenen
Ehre erweisen, ihrer gedenken. Viele halten das bis heute so. In der
Woche vor dem 1. Advent ging es bei uns hinaus, um Tannenäste zu
sammeln, im nahen Wald oder bei Verwandten, die „Dänne“
(Tannen) oder sogar einen kleinen Wald hatten. Aus diesen Zweigen
steckte dann meist die Mutter einen Kranz zusammen. Der Grundbau,
verflochtene kleine Äste, war jedes Jahr der selbe. Der fertige
Kranz wurde zum Teil mit rotem Band drapiert, womit er etwas
feierlicher aussah. Außerdem wurden Kerzenhalter, oft aus Blech und
leicht silbrig glänzend, angebracht. Kerzen einstecken. Fertig. Nicht ganz. Es gab
extra eine Halterung – bei uns in rotem Holz – mit unterem Boden in Sternform. In der Mitte steckte eine Stange, an deren Spitze die roten
Bänder befestigt wurden, so dass nun der Adventskranz in dieser
Vorrichtung, dem Adventskranzständer, hing. Jetzt aber fertig.Nun
konnte der 1. Advent kommen. Für uns Kinder war das spannend, rückte
doch die Weihnacht ein Stück näher. Allerdings sagten die Eltern:
„Et duart noch wat, bes det Chreskennche kömmt“ (es dauert noch
etwas, bis das Christkind kommt).
Früher hing der Adventskranz an einem Ständer.
Basteln und singen
Wenn es an diesen
Tagen das Abendrot gut meinte, sagte Mutter oder Vater: „Det
Chreskend backt“. (Das Christkind backt). Da die Abende viel länger
waren als noch im Sommer und Frühherbst, saßen wir abends zusammen
und bastelten oder malten mit Buntstiften. Bei uns war „Wasserglas“
angesagt. Der flüssige Stoff erhärtete nach dem Auftragen. Damit und mit buntem Papier, auch Luftschlangen, konnte man kleine bunte Schüsseln
bauen. Sahen gut aus. Wir konnten auch schon einmal mit der Flöte
Weihnachtslieder üben. Mancher weiß noch: „Alle Jahre wieder“
geht mit am einfachsten!
Endlich 1. Advent.
Mit vielen Nachbarn gemeinsam ging es morgens in die Kirche. Und da war es
gleich wieder da, dieses bekannte Adventslied, das uns bis heute
begleitet: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der
Herr der Herrlichkeit ...“. Dort oder im Kindergottesdienst hörten
wir nun die biblischen Geschichten von der Ankunft des Messias; schließlich heißt Advent übersetzt „Ankunft“. Wir können auch
„Vorbereitung“ sagen.
Das erste Licht und "säuselt Friede nieder"
Gegen Abend wurde
dann zu Hause das erste Licht am Adventskranz entzündet. Die ganze
Familie war versammelt. Es gab süße Kleinigkeiten zum Knuspern.
Mal gucken, wie es schon mit dem Flötenspiel geht. Es wurde
gemeinsam gesungen, von „Macht hoch die Tür“ über „Es kommt
ein Schiff geladen ...“ bis zu „Leise rieselt der Schnee“ und
oft auch das wunderschöne Abendlied, das in jede Jahreszeit passt
„Abend wird es wieder über Wald und Feld ...“. Bemerkenswert in
heutiger Zeit ist das, wie es dann im Lied weitergeht: „säuselt Frieden nieder, und
es ruht die Welt“. Bezogen auf den heutigen Zustand der Welt, wäre diese Strophe vielleicht sehr sinnvoll, Menschen in allen Erdteilen sollten sich einmal
darauf besinnen, da wir doch in einer Zeit leben, in der es überall Kriege, Aufruhre,
Anschläge, Folter, Mord und Grausamkeiten aller Art gibt, wobei es um
Macht, Glauben, Bodenschätze und Kapital geht. Es ist aber auch eine Zeit, in der
sich Menschen von der steigenden Schnelllebigkeit in Beruf und
allgemein mehr und mehr „gestresst“ fühlen, trotz der auf dem
Papier geringeren Arbeitszeiten als zur damaligen Zeit.
Was für eine kaum
noch erklärbare Welt!
Damals aber war es
spätestens nach dem Abendlied Zeit, um ins Bett zu gehen. Vater
oder Mutter sagte: „Ett wird Zitt, dat ihr eh d'd Bedde kommt“
(Es wird Zeit, dass ihr ins Bett kommt). Ging dann auch problemlos
nach solch einem schönen, abwechslungsreichen und ruhigen Tag - gemütlich und besinnlich mit uns allen, mit Vater, Mutter, Bruder und/ oder Schwester. Das haben wir noch gemeinsam bis weit in die 1960er-Jahre, bi weit in die Jugendzeit, so gepflegt.
Zum "Ins-Bett-gehen": Wir wussten, in einer Woche wird es wieder so sein, und dann ist es
noch kürzer bis zum „Chresdag“, Heiligabend, Weihnachten. Träume vom Lichterbaum und kleinen Geschenken begleiteten uns. Was für eine wundervolle Zeit!
Der Schriftsteller und Autor Georg Hainer schreibt und veröffentlicht seit Ende der 1970er Lyrik wie zur Ausstellung "Dichterisches Bildhauen", in kleinen Büchlein wie "Ferne Träume, Brücken suchend" sowie Texte und Geschichten, auch in Siegerländer Platt, in den Heimatbüchern des Siegener Verlags Buch-Juwel, am bekanntesten "Wo Riewekooche auf den Bäumen wachsen".
Alle Rechte bei Verlag Buch-Juwel, Siegen. Kurze Zitate mit Quellenangabe und Links erlaubt
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