Donnerstag, 24. März 2016

Moos sammeln: Osterzeit früher

Nester bauen, Eier verstecken und mit anderen „kippen“


März 2016. Siegen (DiaPrW). Ostern ist eine besondere Zeit, neben Weihnachten das größte Fest der Christenheit. Es ist auch die Zeit des erwachenden Frühlings. In den 1950er- und -60er-Jahren „fühlte“ es sich anders an als heute. Wie auch heute noch meist, war um die Osterzeit die Wohnung frühlingshaft und österlich dekoriert. Hasen- und Kükenfiguren sowie Sträucher gaben den Ton an. Je nach dem, auf welche Zeit Ostern fiel, blühten draußen blau- violette Krokusse, zeigten sich die Forsythien in kräftigem Gelb. Damals ging es aber darum, selbst Nester aus Moos herzurichten, an Karfreitag einen stillen Tag zu haben und an Ostern mit anderen Eier zu „kippen“, anzustoßen. Vielleicht erinnern Sie sich an diese Zeit, wenn sie auch von Region und Region wieder anders verlief. Schulzeugnisse gab es auch!



Bunte Eier und der Osterhase gehören zum Fest. (Alle Fotos: presseweller)


Ostern war zur Kindheit bei uns immer etwas Besonderes. Das „Einleben“ darauf begann am Palmsonntag. In der Woche vor dem Fest führten uns die Spaziergänge mit Mutter in den Wald. Das war nicht ungewöhnlich, weil wir, wie häufig im Siegerland, in unserem Wohnviertel am Rosterberg ringsum Wald hatten. Aber es war nicht nur ein Spaziergang. Wir sammelten Moos. Grund dafür: Davon bauten wir Osternester, also solche, in die der Hase auch die Eier aus der Kiepe ablegen konnte. Da waren wir überall fleißig zugange. Klar, wie so ein Moos-Nest gebaut wurde, hatten uns die Eltern gelehrt, und sie halfen auch mit. Sie kannten es noch aus ihrer Kindheit. Und wir haben es an unsere Kinder weitergegeben. Es mag heute anders sein.

Stiller Tag: Karfreitag und Fisch

Es war ohnehin – seit Aschermittwoch – Fastenzeit. Viele hielten sich daran. Unsere katholischen Freunde aßen zum Beispiel währenddessen keine Klümpchen (Bonbons) oder Schokolade, die es ohnehin nicht häufig gab. Zumindest an Karfreitag war aber auch für uns „Fasten“ angesagt. Die Geschäfte ringsum hatten frischen Fisch im Angebot. An Gründonnerstag ging daher die Mutter ins damalige Konsum und kaufte frischen Fisch. Meist in gebratener Form kam er dann mit Gemüse und Kartoffeln am Karfreitag auf den Tisch. Andere entschieden sich stattdessen für Eier und Spinat. Das stand zum Teil auch an Gründonnerstag auf dem Speiseplan. Am Samstag waren Wurst und Fleisch immer noch tabu. Ging ja. Der Karfreitag verlief ruhig. Laute Musik gab es nicht, und das Radio war aus. Bis nach Mitte der 1950er hatten wir noch gar keinen Fernseher.



Osterkronen sind schmuckvoll.


Kirchgang und Eiersuche

Ostern wurde gute Kleidung, Sonntagskleidung, angelegt. Festliches Glockengeläut lud zum Kirchgang ein. Da saßen wir in den Bänken und hörten andächtig die biblische Geschichte von Jesu Auferstehung wie im Glaubensbekenntnis, wo dieser Passus früher „… am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten...“, hieß. Ja, der Erlöser, der Heiland. Nachdem der Pastor gesagt hatte: „Allen frohe Ostern!“ zogen wir nach dem Gottesdienst mit Freude im Herzen wieder nach Hause.
Uns Kinder erwarteten nun keine besonderen Geschenke, wie das heute auch zu diesem Fest schon oft üblich ist, sondern es galt, in die selbst aufgestellten Nester zu schauen und dazu diejenigen Ablagestellen zu suchen, die der Osterhase im Garten und/ oder in der Wohnung versteckt angelegt hatte. Da schaute Mutter oder Vater aus dem Fenster und rief „Oh, gerade habe ich den Osterhasen gesehen.“ „Wo?“ „Da vorne, aber jetzt ist er schon um die Ecke.“ So bekamen wir ihn nie leibhaftig zu Gesicht. Na ja.
Hatten wir nicht alle Nester gefunden, gab es hilfreiche Tipps von den Eltern. Manchmal war auch noch ein Schokohäschen oder ein Schoko-Ei dabei. Eier wurden außerdem nachmittags beim Waldspaziergang versteckt. „Ich habe da oben hinter dem Baum etwas Rotes gesehen,“ wobei Vater den Kopf in diese Richtung schwenkte. Gleich stürmten wir los und wurden fündig. Auch hier war also der Osterhase fleißig am Werk.
An den Ostertagen stand ebenfalls das Eier-Kippen – das überall wieder anders wie auch Ditschen genannt wird – zu Hause und mit Freunden auf dem Programm: Jeder Beteiligte hatte ein Ei in der Hand. Dann klopfte es einer auf das Ei des anderen. Meist zuerst auf die Spitze und dann teils auch noch auf den runden Teil. Zerbrach die Schale nicht, konnte der andere „kippen“. Das zerbrochene Ei war quasi der Gewinn, und man aß es meist gleich auf. Natürlich gab und gibt es auch Eierrollen, wie wir gerade aus einem Bericht vom Westerwald erfuhren, und das Eierwerfen, das bei uns praktiziert wurde. Das Ei wurde entweder weit geworfen oder hoch über ein gespanntes Seil oder früher eine Wäscheleine. Freunde erzählten mir, dass sie das Jahr für Jahr noch an Ostermontag aus gelebter Tradition praktizieren, und zwar mit den Familien der Kinder und den Enkeln sowie teils auch mit den Familien der Geschwister. So gerät es nie aus der Vergessenheit, und die Kinder oder später die Enkel selbst werden diesen Brauch vielleicht weiterhin pflegen. Schön.
Das besondere Feiertagsessen nach Ende der Fastenzeit, einschließlich der verschiedenen Kuchen, gehörte natürlich dazu. Meist stand an Ostermontag auch noch der Besuch der Großeltern an. Da trafen wir dann auch die Tanten und Onkels, die Kusinen und Cousins. Erzählen, spielen, Eier werfen und mehr sorgten für einen abwechslungsreichen Tag und den Ausklang der Ostertage. Und ein Nest mit bunten Eiern gab es als Geschenk noch dazu. So konnten wir tagelang noch mit den Freunden „kippen“ und Ostereier essen.


Blüte in kräftigen Farben: Frühling, Ostern!


Schule beginnt danach

Die Kinder früher hatten trotz der schönen Osterzeit ein kleines Problem. Zu unserer Zeit begann nach Ostern ein neues Schuljahr. Für manche stand das erste Schuljahr an. Für die anderen war die Osterzeit mit Beginn der Ferien bereits mit Zeugnissen verbunden, „Giftblätter“ genannt. Wie wird es ausgefallen sein? Versetzt in die nächste Klasse? Bei den meisten in der Volksschule hieß das „Ja“. Trotzdem war es spannend und „erlösend“, wenn die Noten weitgehend in Ordnung waren. Dann war die Osterfreude noch größer. Und den baldigen I-Männchen stand die Einschulung noch erst bevor. Der Zeitpunkt der Einschulung hat sich schon lange geändert. Das gilt auch für die Lehrinhalte, die immer wieder, ich sage „experimentell“,verändert wurden wie die Schulformen, bei denen inzwischen der Durchblick schwieriger wird. Aber das ist so. Wir, unsere Kinder und Enkel konnten wie alle anderen dennoch unabhängig davon stets das schöne Osterfest genießen. (jw)

Ein paar Infos zu Ostern: Ein besonderes Fest der Christenheit, das sich bei uns zeitlich am ersten Frühlingsvollmond orientiert. Am Sonntag danach ist Ostern. Daher gibt es Jahr für Jahr einen anderen Termin im Rahmen des Gesamtzyklus'. Wie bei Weihnachten und Neujahr kann das Osterfest je nach Glaubensrichtung, Kirche (orthodox usw.) auf einen anderen Tag fallen. Gefeiert wird die Auferstehung des Herrn „Das Grab ist leer ...“. So können wir es in der Bibel lesen. Bestandteile der Osterzeit sind Palmsonntag (Einzug Jesu im Jerusalem), Gründonnerstag (Abendmahl) und Karfreitag (Jesus am Kreuz). Das Fest wird auch in Zusammenhang mit dem jüdischen Passah-Fest gebracht sowie ebenfalls mit germanischen Frühlingsfesten nach der Göttin Ostara, wie wir es in der Schule noch gelernt haben. Laut Wikipedia gilt die Ostara-Ableitung aber inzwischen als umstritten. Hasen und Eier werden unter anderem als Fruchtbarkeitssymbole gesehen, "neues Leben entsteht". Es gibt unterschiedlichste Deutungen. In allen möglichen Bildern zum Osterfest sind auch flauschige Küken neben dem Hasen mit der Kiepe zu sehen. Zahlreiche Künstler haben sich ebenfalls mit der Osterzeit beschäftigt, ob mit Darstellung der Kreuzigung oder des heiligen Abendmahls.

Lesen Sie zu "früher" auch andere Beiträge. Sie können sie über die Seite "Magazine, Videos..." auf http://www.buch-juwel.de frei zum Lesen aufrufen. 

Alle Fotos: (c) presseweller


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