Nester bauen, Eier verstecken und mit anderen „kippen“
März 2016. Siegen
(DiaPrW). Ostern ist eine besondere Zeit, neben Weihnachten das
größte Fest der Christenheit. Es ist auch die Zeit des erwachenden Frühlings. In den 1950er- und -60er-Jahren
„fühlte“ es sich anders an als heute. Wie auch heute noch meist,
war um die Osterzeit die Wohnung frühlingshaft und österlich
dekoriert. Hasen- und Kükenfiguren sowie Sträucher gaben den Ton
an. Je nach dem, auf welche Zeit Ostern fiel, blühten draußen blau-
violette Krokusse, zeigten sich die Forsythien in kräftigem Gelb.
Damals ging es aber darum, selbst Nester aus Moos herzurichten, an
Karfreitag einen stillen Tag zu haben und an Ostern mit anderen Eier
zu „kippen“, anzustoßen. Vielleicht erinnern Sie sich an diese
Zeit, wenn sie auch von Region und Region wieder anders verlief.
Schulzeugnisse gab es auch!
Bunte Eier und der Osterhase gehören zum Fest. (Alle Fotos: presseweller)
Ostern war zur
Kindheit bei uns immer etwas Besonderes. Das „Einleben“ darauf
begann am Palmsonntag. In der Woche vor dem Fest führten uns die
Spaziergänge mit Mutter in den Wald. Das war nicht ungewöhnlich,
weil wir, wie häufig im Siegerland, in unserem Wohnviertel am
Rosterberg ringsum Wald hatten. Aber es war nicht nur ein
Spaziergang. Wir sammelten Moos. Grund dafür: Davon bauten wir
Osternester, also solche, in die der Hase auch die Eier aus der Kiepe
ablegen konnte. Da waren wir überall fleißig zugange. Klar, wie so
ein Moos-Nest gebaut wurde, hatten uns die Eltern gelehrt, und sie
halfen auch mit. Sie kannten es noch aus ihrer Kindheit. Und wir
haben es an unsere Kinder weitergegeben. Es mag heute anders sein.
Stiller Tag: Karfreitag und Fisch
Es war ohnehin –
seit Aschermittwoch – Fastenzeit. Viele hielten sich daran. Unsere
katholischen Freunde aßen zum Beispiel währenddessen keine
Klümpchen (Bonbons) oder Schokolade, die es ohnehin nicht häufig
gab. Zumindest an Karfreitag war aber auch für uns „Fasten“
angesagt. Die Geschäfte ringsum hatten frischen Fisch im Angebot. An
Gründonnerstag ging daher die Mutter ins damalige Konsum und kaufte
frischen Fisch. Meist in gebratener Form kam er dann mit Gemüse und
Kartoffeln am Karfreitag auf den Tisch. Andere entschieden sich
stattdessen für Eier und Spinat. Das stand zum Teil auch an
Gründonnerstag auf dem Speiseplan. Am Samstag waren Wurst und
Fleisch immer noch tabu. Ging ja. Der Karfreitag verlief ruhig. Laute
Musik gab es nicht, und das Radio war aus. Bis nach Mitte der 1950er
hatten wir noch gar keinen Fernseher.
Osterkronen sind schmuckvoll.
Kirchgang und Eiersuche
Ostern wurde gute
Kleidung, Sonntagskleidung, angelegt. Festliches Glockengeläut lud
zum Kirchgang ein. Da saßen wir in den Bänken und hörten andächtig
die biblische Geschichte von Jesu Auferstehung wie im
Glaubensbekenntnis, wo dieser Passus früher „… am dritten Tage
wieder auferstanden von den Toten...“, hieß. Ja, der Erlöser, der
Heiland. Nachdem der Pastor gesagt hatte: „Allen frohe Ostern!“
zogen wir nach dem Gottesdienst mit Freude im Herzen wieder nach
Hause.
Uns Kinder
erwarteten nun keine besonderen Geschenke, wie das heute auch zu
diesem Fest schon oft üblich ist, sondern es galt, in die selbst
aufgestellten Nester zu schauen und dazu diejenigen Ablagestellen zu
suchen, die der Osterhase im Garten und/ oder in der Wohnung
versteckt angelegt hatte. Da schaute Mutter oder Vater aus dem Fenster und
rief „Oh, gerade habe ich den Osterhasen gesehen.“ „Wo?“ „Da
vorne, aber jetzt ist er schon um die Ecke.“ So bekamen wir ihn nie
leibhaftig zu Gesicht. Na ja.
Hatten wir nicht
alle Nester gefunden, gab es hilfreiche Tipps von den Eltern.
Manchmal war auch noch ein Schokohäschen oder ein Schoko-Ei dabei.
Eier wurden außerdem nachmittags beim Waldspaziergang versteckt.
„Ich habe da oben hinter dem Baum etwas Rotes gesehen,“ wobei
Vater den Kopf in diese Richtung schwenkte. Gleich stürmten wir los
und wurden fündig. Auch hier war also der Osterhase fleißig am
Werk.
An den Ostertagen
stand ebenfalls das Eier-Kippen – das überall wieder anders wie auch Ditschen genannt wird – zu Hause und mit Freunden auf dem Programm: Jeder
Beteiligte hatte ein Ei in der Hand. Dann klopfte es einer auf das Ei
des anderen. Meist zuerst auf die Spitze und dann teils auch noch auf den runden Teil. Zerbrach die Schale nicht, konnte der andere „kippen“.
Das zerbrochene Ei war quasi der Gewinn, und man aß es meist gleich auf.
Natürlich gab und gibt es auch Eierrollen, wie wir gerade aus einem Bericht vom Westerwald erfuhren, und das Eierwerfen, das bei uns praktiziert wurde. Das Ei wurde entweder weit geworfen oder hoch
über ein gespanntes Seil oder früher eine Wäscheleine. Freunde
erzählten mir, dass sie das Jahr für Jahr noch an Ostermontag aus
gelebter Tradition praktizieren, und zwar mit den Familien der Kinder
und den Enkeln sowie teils auch mit den Familien der Geschwister. So
gerät es nie aus der Vergessenheit, und die Kinder oder später die
Enkel selbst werden diesen Brauch vielleicht weiterhin pflegen.
Schön.
Das besondere
Feiertagsessen nach Ende der Fastenzeit, einschließlich der
verschiedenen Kuchen, gehörte natürlich dazu. Meist stand an
Ostermontag auch noch der Besuch der Großeltern an. Da trafen wir
dann auch die Tanten und Onkels, die Kusinen und Cousins. Erzählen,
spielen, Eier werfen und mehr sorgten für einen abwechslungsreichen
Tag und den Ausklang der Ostertage. Und ein Nest mit bunten Eiern gab
es als Geschenk noch dazu. So konnten wir tagelang noch mit den
Freunden „kippen“ und Ostereier essen.
Blüte in kräftigen Farben: Frühling, Ostern!
Schule beginnt
danach
Die Kinder früher
hatten trotz der schönen Osterzeit ein kleines Problem. Zu unserer
Zeit begann nach Ostern ein neues Schuljahr. Für manche stand das
erste Schuljahr an. Für die anderen war die Osterzeit mit Beginn der
Ferien bereits mit Zeugnissen verbunden, „Giftblätter“ genannt.
Wie wird es ausgefallen sein? Versetzt in die nächste Klasse? Bei
den meisten in der Volksschule hieß das „Ja“. Trotzdem war es
spannend und „erlösend“, wenn die Noten weitgehend in Ordnung
waren. Dann war die Osterfreude noch größer. Und den baldigen
I-Männchen stand die Einschulung noch erst bevor. Der Zeitpunkt der
Einschulung hat sich schon lange geändert. Das gilt auch für die
Lehrinhalte, die immer wieder, ich sage „experimentell“,verändert
wurden wie die Schulformen, bei denen inzwischen der Durchblick
schwieriger wird. Aber das ist so. Wir, unsere Kinder und Enkel
konnten wie alle anderen dennoch unabhängig davon stets das schöne
Osterfest genießen. (jw)
Ein paar Infos zu
Ostern: Ein besonderes Fest der Christenheit, das sich bei uns
zeitlich am ersten Frühlingsvollmond orientiert. Am Sonntag danach
ist Ostern. Daher gibt es Jahr für Jahr einen anderen Termin im
Rahmen des Gesamtzyklus'. Wie bei Weihnachten und Neujahr kann das
Osterfest je nach Glaubensrichtung, Kirche (orthodox usw.) auf einen
anderen Tag fallen. Gefeiert wird die Auferstehung des Herrn „Das
Grab ist leer ...“. So können wir es in der Bibel lesen.
Bestandteile der Osterzeit sind Palmsonntag (Einzug Jesu im Jerusalem), Gründonnerstag
(Abendmahl) und Karfreitag (Jesus am Kreuz). Das Fest wird auch in Zusammenhang mit
dem jüdischen Passah-Fest gebracht sowie ebenfalls mit germanischen
Frühlingsfesten nach der Göttin Ostara, wie wir es in der Schule
noch gelernt haben. Laut Wikipedia gilt die Ostara-Ableitung aber inzwischen als
umstritten. Hasen und Eier werden unter anderem als
Fruchtbarkeitssymbole gesehen, "neues Leben entsteht". Es gibt unterschiedlichste
Deutungen. In allen möglichen Bildern zum Osterfest sind auch
flauschige Küken neben dem Hasen mit der Kiepe zu sehen. Zahlreiche
Künstler haben sich ebenfalls mit der Osterzeit beschäftigt, ob mit
Darstellung der Kreuzigung oder des heiligen Abendmahls.
Lesen Sie zu "früher" auch andere Beiträge. Sie können sie über die Seite "Magazine, Videos..." auf http://www.buch-juwel.de frei zum Lesen aufrufen.
Alle Fotos: (c) presseweller
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