Mittwoch, 30. September 2015

Erntedank - nicht nur - im Siegerland



Was der Boden gegeben hat. Bei einem Erntedank-Hoffest in Wilgersdorf.  


Mr ha Erndedank / Ernten, was man gesät oder angepflanzt hat


Von Georg Hainer

Ist es nicht einfach wunderbar, im Spätsommer und Herbst ernten zu können, was man gesät hat? Ist es nicht Jahr für Jahr seit Generationen ein Wunder der Natur, dass Kartoffeln, Gemüse, Tomaten und Früchte aus einem kleinen Saatkeim oder an Baum oder Strauch so heranwachsen können? Ja! „Wer sät, der erntet“, heißt es. Egal, in welchem Land man lebt und welcher Religion man sich zugehörig fühlt. Dazu gibt das Land noch gratis dazu, was man gar nicht selbst angebaut hat.

Erntedank, zum Teil mit großen Festen und Umzügen, ist überall auf der Welt verbreitet. Wenn wir auch in der Kindheit mit den Eltern oft sonntags zu Gottesdiensten gingen, so war es zum Erntedankfest klar, dass wir auch später noch dahin gingen. „Da wonn mr hingoah“, sagte die Mutter. Natürlich gingen viele Menschen aus der Straße und aus dem Wohnviertel ebenfalls. Die Kirche war gut gefüllt. Ein Ährenkranz oder Feldfrüchte auf oder neben dem Altar. Hier und da auch Erntekronen, die bei uns aber seltener waren. „Danke“ im Gebet, dass wir ernten konnten und zu essen haben. Das Erntedankfest wurde und wird zu unterschiedlichen Terminen gefeiert, je nach Religion und Region und Anbauschwerpunkten wie Wein und anderem. In der Religion spielt dafür der Michaelistag Ende September eine wichtige Rolle. Früher feierten wir Erntedank am 1. Sonntag im Oktober. So haben wir es bis heute gehalten, egal, wann kirchlich Erntedank auf dem Plan steht.

Kartoffeln waren wichtig
Ende September, Anfang Oktober waren in den Gärten schon länger die Johannes´-, Stachel- und Himbeeren abgeerntet, nun standen Kartoffeln, Weiß- und Rotkohl, die Stangenbohnen und hier und da Kürbis auf dem Plan. Im Siegerland gibt es zig Häuser mit Gärten, sogar in der Stadt mit den Siedlungshäusern, Ein- und Zweifamilienhäuser mit relativ großen Grundstücken auf den Siegener Bergen und sogar bei kleinen Wohnblocks. Richtig viel Land ums Haus haben die „Siedlerhäuser“, teils nach dem so genannten „Reichsheimstättengesetz“ gebaut. Im Großen und Ganzen eine gute Sache. Auf dem „Land“ gab es natürlich noch viel mehr Land ringsum. So richtig große Gärten, Obstbaumwiesen und Felder und Wiesen etwas außerhalb.



Erntedank im Gottesdienst, mit Erntekrone. (Alle Fotos: (c) Presseweller)


Doffeln und mehr
Bei der Doffelernte (Kartoffelernte) gab es meist viele Helfer. Wir gingen auch auf den Westerwald zu Verwandten, um Kartoffeln auszumachen. Zum Schluss wurde ein kleines Feuer entfacht, um Kartoffeln „anzubraten“. Sie wurden dann vor Ort gegessen. Köstlich. Mitte und Ende der 1950er erfolgte der Abtransport dann auch nicht mit einem vom Traktor gezogenen Anhänger, sondern vom Ochsen- oder Pferdegespann. Doffeln oder Duffeln spielen im Land an der Sieg nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Ernährung, auch im nahen Westerwald, wo sie teils „Ärpel“, „Erdäppel“, also Erdäpfel, heißen.
Früher waren meist immer auch Kräuter im Garten, Schnittlauch und Suppenkraut, was im Siegerland „Sobbekrutt“ heißt. In den ländlichen Gebieten, wo Bauern und Nebenerwerbsbauern „das Feld bestellten“, war es wichtig, „dat die Schüer voll wuahr“, dass die Scheune voll wurde. Im Vordergrund stand dabei das Korn. In den Zeiten, in denen noch nicht Großflächenmaschinen einen guten Teil der Ernte bewerkstelligten, war es harte Arbeit, die Feldfrüchte einzubringen.

Selbst Gezogenes schmeckt
Früher und heute – immer mehr – wissen die Eigenanbauer und diejenigen, die so etwas selbst Angebautes in Gerichten kosten können, den natürlichen und nachhaltigen Geschmack von allen diesen Erzeugnissen, die der Boden hergibt, zu schätzen. Da schmeckt die Tomate noch so richtig tomatisch, der Kohl ursprünglich, die Stangenbohne als Salat oder im Eintopf so wunderbar, dass man jede Dose mit Brechbohnen und Co. vergessen wird. In vielen Restaurants setzt man seit wenigen Jahren schon auf Produkte aus der Region, also von regionalen Erzeugern.
Authentisch, bodenständig, ungespritzt oder behandelt und auch nicht Tausende Kilometer umhergekarrt, so wissen die Menschen, die ihre Früchte selbst anbauen, ihre Ernte zu schätzen – eine Zutat zu „gesunder Ernährung“. Wer mal eine alte Apfelsorte aus dem Garten probiert hat, weiß, je nach Sorte, um Saftigkeit, Süße, leicht säuerlich und anders, wie wunderbar das schmeckt. Das ist bei Tomaten, Kohl und anderem auch so. Wer sich von der Pfefferminze im Garten einen Tee zubereitet, merkt direkt, wie viel anders, intensiver das ist, als ein gekaufter Pfefferminztee. Wer das schätzt, wird irgendwann nur wieder ungern auf das auf Ertrag und Masse ausgerichtete Obst, Gemüse und Co. zurückgreifen. Selbst sagte man je nach Eigenlandbäumen früher gern: „Oose Äppel schmecke emmer noch am beste“. So ging es und geht es auch mit anderem selbst angebautem Obst und Gemüse.



Selbst geerntet: Das schmeckt irgendwie anders und intensiver und ist lecker, egal, ob Kartoffeln, Äpfel, Kohl und mehr. Es funktioniert meist auch im kleinen Garten. 


Armut geht leider weiter
Nach wie vor ist der Hunger in der Welt bei Weitem nicht gestillt, wenn die UN auch im Mehr-Jahresvergleich Besserungen sieht. Gerade viele der so genannten „armen Länder“ sind von Krieg oder inneren gewalttätigen Unruhen betroffen. Unabhängig vom Klimawandel, den es alle Jahrtausende und auch alle paar Jahrhunderte gibt, haben manche Erdzonen seit Generationen mit Trockenheit oder Wassermassen sowie teils mit verheerenden Stürmen zu kämpfen. Manche wie in Afrika versuchen, sich mit Saatgut, das sie kaufen müssen, für besseren Ertrag zu helfen. Vielleicht wäre es besser, hier nur laienhaft ohne Bewertung dargestellt, sich auf das zu verlassen, was der Boden hergibt. Die Wissenschaftler für Biologie, Boden, Anbau, Landbewirtschaftung und Co. sollten hier Antworten geben und tun das wohl auch zum Teil.

Kurz, hier bei uns, im Siegerland und anderswo, haben wir allen Grund, „danke“ zu sagen, dass wir täglich unser „Brot“ haben, wie es schon im Vaterunser steht. Und in Siegerländer Platt sagt dann jemand: „Mr mosse froh sinn, dat es oos so goaht geahrt.“ (Wir müssen froh sein, dass es uns so gut geht). Erntedank bietet eine Gelegenheit dazu, sich das ins Bewusstsein zu bringen. 
Im September 2015 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen