Was der Boden gegeben hat. Bei einem Erntedank-Hoffest in Wilgersdorf.
Mr ha Erndedank /
Ernten, was man gesät oder angepflanzt hat
Von Georg Hainer
Ist es nicht einfach
wunderbar, im Spätsommer und Herbst ernten zu können, was man gesät
hat? Ist es nicht Jahr für Jahr seit Generationen ein Wunder der
Natur, dass Kartoffeln, Gemüse, Tomaten und Früchte aus einem
kleinen Saatkeim oder an Baum oder Strauch so heranwachsen können?
Ja! „Wer sät, der erntet“, heißt es. Egal, in welchem Land man
lebt und welcher Religion man sich zugehörig fühlt. Dazu gibt das
Land noch gratis dazu, was man gar nicht selbst angebaut hat.
Erntedank, zum Teil
mit großen Festen und Umzügen, ist überall auf der Welt
verbreitet. Wenn wir auch in der Kindheit mit den Eltern oft sonntags
zu Gottesdiensten gingen, so war es zum Erntedankfest klar, dass wir
auch später noch dahin gingen. „Da wonn mr hingoah“, sagte die
Mutter. Natürlich gingen viele Menschen aus der Straße und aus dem
Wohnviertel ebenfalls. Die Kirche war gut gefüllt. Ein Ährenkranz
oder Feldfrüchte auf oder neben dem Altar. Hier und da auch
Erntekronen, die bei uns aber seltener waren. „Danke“ im Gebet,
dass wir ernten konnten und zu essen haben. Das Erntedankfest wurde
und wird zu unterschiedlichen Terminen gefeiert, je nach Religion und
Region und Anbauschwerpunkten wie Wein und anderem. In der Religion
spielt dafür der Michaelistag Ende September eine wichtige Rolle.
Früher feierten wir Erntedank am 1. Sonntag im Oktober. So haben wir
es bis heute gehalten, egal, wann kirchlich Erntedank auf dem Plan
steht.
Kartoffeln waren
wichtig
Ende September,
Anfang Oktober waren in den Gärten schon länger die Johannes´-,
Stachel- und Himbeeren abgeerntet, nun standen Kartoffeln, Weiß- und
Rotkohl, die Stangenbohnen und hier und da Kürbis auf dem Plan. Im
Siegerland gibt es zig Häuser mit Gärten, sogar in der Stadt mit
den Siedlungshäusern, Ein- und Zweifamilienhäuser mit relativ
großen Grundstücken auf den Siegener Bergen und sogar bei kleinen
Wohnblocks. Richtig viel Land ums Haus haben die „Siedlerhäuser“,
teils nach dem so genannten „Reichsheimstättengesetz“ gebaut. Im
Großen und Ganzen eine gute Sache. Auf dem „Land“ gab es
natürlich noch viel mehr Land ringsum. So richtig große Gärten,
Obstbaumwiesen und Felder und Wiesen etwas außerhalb.
Erntedank im Gottesdienst, mit Erntekrone. (Alle Fotos: (c) Presseweller)
Doffeln und mehr
Bei der Doffelernte
(Kartoffelernte) gab es meist viele Helfer. Wir gingen auch auf den
Westerwald zu Verwandten, um Kartoffeln auszumachen. Zum Schluss
wurde ein kleines Feuer entfacht, um Kartoffeln „anzubraten“. Sie
wurden dann vor Ort gegessen. Köstlich. Mitte und Ende der 1950er
erfolgte der Abtransport dann auch nicht mit einem vom Traktor
gezogenen Anhänger, sondern vom Ochsen- oder Pferdegespann. Doffeln
oder Duffeln spielen im Land an der Sieg nach wie vor eine wichtige
Rolle bei der Ernährung, auch im nahen Westerwald, wo sie teils
„Ärpel“, „Erdäppel“, also Erdäpfel, heißen.
Früher waren meist
immer auch Kräuter im Garten, Schnittlauch und Suppenkraut, was im
Siegerland „Sobbekrutt“ heißt. In den ländlichen Gebieten, wo
Bauern und Nebenerwerbsbauern „das Feld bestellten“, war es
wichtig, „dat die Schüer voll wuahr“, dass die Scheune voll
wurde. Im Vordergrund stand dabei das Korn. In den Zeiten, in denen
noch nicht Großflächenmaschinen einen guten Teil der Ernte
bewerkstelligten, war es harte Arbeit, die Feldfrüchte einzubringen.
Selbst Gezogenes
schmeckt
Früher und heute –
immer mehr – wissen die Eigenanbauer und diejenigen, die so etwas
selbst Angebautes in Gerichten kosten können, den natürlichen und
nachhaltigen Geschmack von allen diesen Erzeugnissen, die der Boden
hergibt, zu schätzen. Da schmeckt die Tomate noch so richtig
tomatisch, der Kohl ursprünglich, die Stangenbohne als Salat oder im
Eintopf so wunderbar, dass man jede Dose mit Brechbohnen und Co.
vergessen wird. In vielen Restaurants setzt man seit wenigen Jahren
schon auf Produkte aus der Region, also von regionalen Erzeugern.
Authentisch,
bodenständig, ungespritzt oder behandelt und auch nicht Tausende
Kilometer umhergekarrt, so wissen die Menschen, die ihre Früchte
selbst anbauen, ihre Ernte zu schätzen – eine Zutat zu „gesunder
Ernährung“. Wer mal eine alte Apfelsorte aus dem Garten probiert
hat, weiß, je nach Sorte, um Saftigkeit, Süße, leicht säuerlich
und anders, wie wunderbar das schmeckt. Das ist bei Tomaten, Kohl und
anderem auch so. Wer sich von der Pfefferminze im Garten einen Tee
zubereitet, merkt direkt, wie viel anders, intensiver das ist, als
ein gekaufter Pfefferminztee. Wer das schätzt, wird irgendwann nur
wieder ungern auf das auf Ertrag und Masse ausgerichtete Obst, Gemüse
und Co. zurückgreifen. Selbst sagte man je nach Eigenlandbäumen
früher gern: „Oose Äppel schmecke emmer noch am beste“. So ging
es und geht es auch mit anderem selbst angebautem Obst und Gemüse.
Selbst geerntet: Das schmeckt irgendwie anders und intensiver und ist lecker, egal, ob Kartoffeln, Äpfel, Kohl und mehr. Es funktioniert meist auch im kleinen Garten.
Armut geht leider weiter
Nach wie vor ist der
Hunger in der Welt bei Weitem nicht gestillt, wenn die UN auch im
Mehr-Jahresvergleich Besserungen sieht. Gerade viele der so genannten
„armen Länder“ sind von Krieg oder inneren gewalttätigen
Unruhen betroffen. Unabhängig vom Klimawandel, den es alle
Jahrtausende und auch alle paar Jahrhunderte gibt, haben manche
Erdzonen seit Generationen mit Trockenheit oder Wassermassen sowie
teils mit verheerenden Stürmen zu kämpfen. Manche wie in Afrika
versuchen, sich mit Saatgut, das sie kaufen müssen, für besseren
Ertrag zu helfen. Vielleicht wäre es besser, hier nur laienhaft ohne
Bewertung dargestellt, sich auf das zu verlassen, was der Boden
hergibt. Die Wissenschaftler für Biologie, Boden, Anbau,
Landbewirtschaftung und Co. sollten hier Antworten geben und tun das
wohl auch zum Teil.
Kurz, hier bei uns,
im Siegerland und anderswo, haben wir allen Grund, „danke“ zu
sagen, dass wir täglich unser „Brot“ haben, wie es schon im
Vaterunser steht. Und in Siegerländer Platt sagt dann jemand: „Mr
mosse froh sinn, dat es oos so goaht geahrt.“ (Wir müssen froh sein, dass es uns so gut geht). Erntedank bietet eine
Gelegenheit dazu, sich das ins Bewusstsein zu bringen.
Im September 2015